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Von Seilen und Zügen, ein mechanisches Stellwerk in TT

Warum ist TT eigentlich die ‘ideale Spur’? Weil man viel Landschaft pro Fläche bauen kann, auch auf Heimanlagen noch realistische Zuglängen möglich sind und man trotzdem auch am fahrenden Modell ohne Lupe noch viele Details erkennt. Für manch einen aber auch aus einem vierten Grund: man kann im Maßstab der Mitte noch ähnlich ‘fein’ bauen, wie im größeren HO - und mittlerweile gibt es dafür auch rund um die Gleise jede Menge interessantes Zubehör.

Kleinserien-V60 von Waggonbau Schwätzer am Abzweig nach Houbingen

Mechanische Stellwerke sind im Aussterben begriffen: Trotzdem hat wohl schon jeder während einer Bahnfahrt die neben den Strecken verlaufenden Seile beobachtet. Je mehr es werden, desto näher ist meist der nächste Bahnhof. Manchmal verschwinden sie kurz unter der Erde, manchmal endet ein Strang an einem Signal oder einer Weiche. Immer wieder stehen Spannwerke entlang der Strecke. Das Bild ist vielfältig, Literatur darüber gibt es im Fachhandel (z.B. MIBA-Rebort: „mechanische Stellwerke 1"). Doch auch wer aufwendige Recherche scheut und sich nur an wenige Grundregeln hält, wird ein durchaus stimmiges Bild erreichen. Auch das nötige bastlerische Geschick hält sich in Grenzen. Und selbst wenn von ‘ganz nah’ betrachtet dann doch mal ein Teil etwas schief sitzt, etwas dick lackiert oder gar weggelassen wurde: der Gesamteindruck der Bahnanlagen wird durch solche Feinarbeit einfach ‘echter’ und ein Patzer läßt sich auch mit einem Büschel sprießendem Unkraut kaschieren. Als Werkzeug benötigt man ohnehin nur einen kleinen Seitenschneider zum Abtrennen der Einzelteile - und eine Feile zum entgraten

Stellwerksgebäude, Gruppenumlenkung

Rund um Stellwerk und Bahnhof

Alle Seile führen zum Stellwerk, genauer: zur Hebelbank, die beim verwendeten Stellwerk von Auhagen nur rudimentär nachgebildet ist. Für den Blick durch das Fenster wurde aus Resten etwas improvisiert, das mit dem Vorbild immerhin Ähnlichkeit hat - Ostmodell bietet dafür inzwischen aber auch perfekt nachgebildete Präzisionsbasteleien an. An einer Seite laufen alle Seile in der 'Gruppenablenkung' unter einem Riffelblech aus dem Gebäude heraus - und danach erst einmal in abgedeckten Kanälen. Je nach Zahl der Seile gibt es die Kanäle in verschiedenen Breiten: den Bauarten I bis VI . Erst dort, wo das Bahnpersonal durch offene Seilzüge nicht mehr behindert wird, werden sie oberirdisch geführt.

Die Qual der Wahl

Die nötigen Bauteile werden inzwischen von vielen Herstellern angeboten: Art&Detail liefert den TT-Bahnern Kabelkanäle als geätzte Messingbleche, die eigenhändig in Form gebogen werden müssen. Ähnliche Produkte hat Ostmodell im Angebot. Weinert produziert die Kanäle fertig aus gegossenem Weißmetall, andere Teile aus Messingguss, ähnlich wie seit vielen Jahren für HO. Wegen der leichteren Montage wurden für dies Erstlingswerk die Produkte von Weinert verwendet, aber mit Bauteilen anderer Hersteller kombiniert.
Zwischen den Blechkanälen plaziert man die mitgelieferten Rollenkästen. Dabei können die Kanäle im Gleisbogen auch leicht schräg angesetzt werden. Wenn ein Gleis zu unterqueren ist, wird das Seil in speziellen Kästen im rechten Winkel umgelenkt und zwischen zwei Schwellen unter dem Gleis durchgeführt. Auch die Umlenkkästen gibt es von beiden Herstellern in verschiedenen Größen. Bei Weinert wieder aus Weißmetall, von Art&Detail als Kunststoffblock, auf den ein fein geätztes Messingblech geklebt wird. Nach theoretischer Vorplanung und Kauf der benötigten Teile kann man Alles erst einmal locker nebeneinander legen um Feinheiten der Streckenführung auszuprobieren. Sofern der Unterbau eben ist, lassen sich die Einzelteile auch leicht verkleben. Wenn - wie hier - schon Schotter liegt, muß man den Verlauf der Kanäle vorher einebnen und am Ende nachschottern.

Bausatz für Seilzüge

Nichts ist unmöglich

Ganz ähnlich sieht es bei den Weichenantrieben aus, wobei selbst realistisch angetriebene Laternen in TT kein Wunschtraum bleiben müssen. Zu den Laternen von Art & Detail gehört eine Mechanik, die ich unter der Platte an Fulgurex-Weichenmotoren gekoppelt habe. Ähnlich können sie aber auch mit Servoantrieben kombiniert werden. Mit Improvisation passt sie auch an Motoren von Hoffmann oder Conrad . Wer Tillig-Antriebe verwendet, könnte die Laternen auch eigenständig mit den recht preiswerten Conrad-Motoren in Bewegung setzen. Bis die Mechanik unter der Platte montiert ist, vergeht pro Laterne sicher eine Viertelstunde - beim ersten Mal mehr - doch nach vollbrachter Fummelei ist es ist schon ein erhebender Anblick, wenn sich mit dem langsamen Verschieben der Weichenzungen die Laterne dreht. Art & Detail liefert sogar noch eine sehr filigrane Ätzplatine für die Nachbildung der Original-Mechanik Deren Montage ist allerdings wirklich etwas für feine Finger mit geduldigem Besitzer..... und in diesem Fall unterblieben. Wer nicht unbedingt Bewegung braucht, kann sich Antriebe samt Laternen auch von Weinert kaufen - oder von Kittler, der sie (wie auch Spannwerke) sogar preiswerter anbietet.

Entlang der Strecke:

Der eigentliche Augenschmaus beginnt aber außerhalb des Bahnhofsgeländes: Die Stelle, an der die Seile offen aus dem Kanal heraustreten, ist beim Vorbild meist noch durch ein Blech oder Rohr abgedeckt. Das wurde schlicht aus Messing-Bastelresten ausgeschnitten und zurechtgebogen. Es verdeckt auch den Punkt, an dem mit einem winzigen Tropfen Sekundenkleber die Seile angeheftet werden, die aus feiner Gummilitze bestehen. Keine Bange: sie hält auch bei der Gleisreinigung mal eine heftigere Berührung aus. Doch zunächst müssen entlang der Strecke die Rollenhalter montiert werden. Weinert liefert einen fertig montierten Typ für sechs parallel laufende Seilzüge, ein zweiter Typ wird wahlweise mit zwei bis sechs Rollen bestückt, Die kleinste Variante hält ein bis zwei drei Seile. Dabei sind die Rollen selbst eigentlich nicht zu sehen. Sie werden auch beim Vorbild oft von einem kleinen Blech verdeckt, Dessen dutzendfache Montage an den Querträgern ist die fummeligste Arbeit. Einige im Metall zu eng geratene Löcher mußten mit einer feinen Nadel geweitet werden. Verklebt wird - möglichst sparsam - mit Sekundenkleber. Die Querträger werden noch auf die mitgelieferten Stahldrähte gesteckt, wieder verklebt - und dann wird lackiert... Im Original sind alle Teile ‘schwarzgrau’, doch in der Praxis variiert der Farbton auch beim Vorbild je nach Ort, Alter und Pflegezustand. Vor dem Lackieren sollte das Metall übrigens grundsätzlich gut entfettet werden, zum Beispiel mit Reinigungsbenzin. Dann geht es daran, die vorbereiteten Teile auf die Anlage zu stecken, Dabei beträgt der Abstand der Rollenhalter für Weichenantriebe etwa 8,5 Zentimeter. Wenn die zu den Signalen führenden Stahlseile auf eigenen ‘Trägern’ gespannt sind, kann Ihr Abstand etwas höher sein, sie müssen beim Vorbild weniger ‘Kraft’ übertragen. Auf längere Distanz halten immer wieder Druckrollenkästen und Spannwerke die Seile straff. Letzere gibt es in leicht unterschiedlichem Aussehen für Signale und Weichen - und auch sie werden mittlerweile von allen genannten Herstellern angeboten. Auhagen liefert außerdem eine etwas gröbere aber deutlich billigere Version aus Kunststoff. (Nicht nur) an gewissen Problemstellen wurden dann noch kleine Löcher in die Platte gebohrt, Fetzen langfloriger Grasmatten hineingestopft, verklebt - fertig ist das allgegenwärtige Unkraut.

Stellwerk und Seile

Dreckig wirkt echter

An einigen Stellen fehlt dann noch ein Hauch von Grau, Ocker und Rostbraun. Stark verdünnter matter Lack, mit Spülmittel entspannte Wasserfarbe, oder auch mit dem Borstenpinsel aufgetupfte Farbpigmente und Kreidestaub bilden den ‘Zahn der Zeit’ nach. Besonders vorbildnah wirkt der Bahnhof, wenn man am Ende per Airbrush einen Hauch stark verdünnte ‘staubfarbenen’ Lack über den Gleisbereich nebelt.. Die Gleisköpfe bekommt man danach leicht mit dem Roco-Rubber oder ähnlichem wieder blank Nur die Seile sollten ‘staubfrei’ bleiben - sie wurden deshalb zum Schluß gespannt Dabei müssen für einen ganzen Bahnhof schon einige Gummifäden unter die Rollenhalter und durch Druckrollenkästen gefädelt werden, dabei hilft eine Pinzette Das Verkleben gelingt am einfachsten, indem man den Faden in eine Richtung dehnt und neben dem Rollenhalter einen Hauch Sekundenkleber auf die Litze tupft. Wenn man das Gummi dann langsam ‘entspannt’ rutscht der Klebepunkt unter den Halter, wo er das Seil schlagartig fixiert. Seilgewirr vermeidet man, indem man jeden Faden einzeln durch die gesamte Strecke zieht, anheftet und dann erst den nächsten daneben setzt. Bis auf diese Weise der dreigleisige Bahnhof Connrath ausgerüstet ist, gehen insgesamt schon einige (Feier)abende ins Land und der Preis der Bauteile übertrifft durchaus den Gegenwert einer nicht ganz billigen Lok. Aber der Bastelspaß pro Euro ist beachtlich - und das Ergebnis soll schließlich jahrelang den stimmigen Rahmen für ähnlich fein detaillierte Zugmodelle bilden. Die Mühe lohnt

Gegenlichtaufnahme

Nachtrag: Ein Desaster droht - man kann es vermeiden

Diese Bastelei an meinem Bahnhof Connrath entstand im Jahr 2004 - schon eine Weile her. Und irgendwann, nach etwa 10 Jahren, begann ein echtes Trauerspiel: Die verwendeten Gummifäden, die von Weinert für diesen Zweck mitgeliefert wurden, begannen sich aufzulösen. Eine leichte Berührung reichte: Schon zerriss das erste. Dann das nächste, irgendwann waren sie einfach weg und hingen als kleine leicht vergilbte Knubbel an den Rollenhaltern. Eingebaute Selbstzertörung.
Es gibt eine deutlich langlebigere Lösung: Federstahldraht, den es auch in 0,1 mm Stärke gibt - also ultradünn. Es ist eine Heidenarbeit, die alten Gummifädenreste von den kleinen Messingteilen zu entfernen.... manche Rollenhalter und Druckrollenkästen waren auch nicht zu retten... Ich habe einige ausgetauscht und sie noch einmal neu neben den Gleisen postiert. Und dann habe ich anstelle der Gummifäden eben den ultradünnen Federstahldraht hindurchgezogen und wie gehabt mit einem kleinen Tröpchen flüssigem Sekunderkleber fixiert. Noch einmal eine eher langwierige Bastelei. Aber Federstahldraht hält dann wirklich 'ewig'. Und sieht mit seiner silberen Farbe irgendwie auch noch 'echter' aus, als die weißen Gummifäden. Mittlerweile habe ich noch eine dritte und für mich persönlich beste Lösung entdeckt: Edelstahlseile!. Die gibt es im Zubehörhandel für Schmuckherstellung ab 0,2 mm. Sie haben gegenüber Federstahldraht noch einmal zwei zwei Vorteile. Die 0,1 mm Dicke des Federstahldrahtes ist schon sehr dünn, maßstäblich recht nah am Vorbild (doppelt so dick) Aber dafür nur mit sehr gutem Auge oder aus nächster Nähe sichtbar. Aus der Entfernung gar nicht. Da wirken die 0,2 mm Stahlseile - auch wenn sie maßstäblich betrachtet viermal so dick sind wie ihre Vorbilder - optisch doch irgendwie 'passender'. Vor allem aber: Die Stahlseile sind elastischer als der Draht, knicken nicht so leicht und sind daher deutlich leichter zu verlegegen. Ich würde daher die Seilzüge heute grundsätzlich mit dünnem Stahldraht nachbilden! Hier auf der Seite, sehen sie noch die kurz nach Bau entstandenen Bilder mit Gummilitzen. In der Rubrik 'Anlage' finden sich im Hauptmenü oben links auf der Seite 'Bahnhof Conrath' aktuellere Bilder des Bahnhofes, auf denen die inzwischen verlegten 'Stahlseile' zu sehen sind.

Bau, Text und Fotos: Michael Houben (erstveröffentlicht im TT-Kurier 6/2004)

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